Das "Schreckgespenst Note"

Wenn Kinder in die Schule kommen, bekommt das Lernen eine ganz neue Dimension - und vor allem: Das Lernen bzw. der Erfolg des Lernens wird beurteilt.

Die Beurteilung ist in der Schule ein wesentlicher Teil: Sie gibt und nimmt Möglichkeiten, selektiert, … Noten haben einen "pädagogischen Wert", sie werden gegeben um zu warnen ("wenn du so weitermachst, wirst du nicht durchkommen!"), zu ermutigen, zu disziplinieren oder zu belohnen. Noten machen stolz, beschämen und setzen unter Druck. Oft lernen die Jugendlichen nur mehr "für die Noten". Die vielen Erkenntnisse rund um die Subjektivität von Notengebung macht die Sache nicht gerade einfacher.
Doch bei aller Komplexität - haben die Noten da nicht eine zu große und vor allem falsche Bedeutung im Lernprozess der Kinder? Sollten die Kinder nicht von Anfang an erfahren: Wir Menschen sind verschieden. Wir alle haben unterschiedliche Stärken, jeder hat Schwächen. Und: Einige Aspekte werden in der Schule beurteilt.
Susanne Lehner hat einen erfrischend einfachen Weg gefunden, um genau das mit ihren Kindern zu erarbeiten.

Nicht die Noten, sondern der Umgang damit sind oft das Problem...

Alle Jahre wieder taucht das „Schreckgespenst Note“ bei der Überlegung und den Diskussionen über eine ordentliche Beurteilung unser Kinder auf.
Es werden die Für- und Wider dieser oder eben der alternativen Beurteilung gegenübergestellt und ausreichend besprochen. Wir LehrerInnen haben in unserer Laufbahn schon so manch neue These, Empfehlung oder auch Verteufelung der einen, sowie der anderen Beurteilung zu hören bzw. zu lesen bekommen.
Ich bin nun seit fast 20 Jahren als Volksschullehrerin tätig und muss sagen, dass ich von Anfang an kein großes Problem mit diesem „Schreckgespenst“ hatte, im Gegenteil.
Für mich war eigentlich schnell klar, dass oft nicht die Noten selbst das große Problem darstellen, sondern der Umgang damit. Oft sind es auch die Eltern, die Ängste oder Vorurteile mitbringen und die gilt es zu beseitigen.

(c) Thinkstock/iStock/nata_zhekova

Meine Art der Noteneinführung

Ganz wichtig ist für mich die Einführung, dass bereits ganz am Anfang der Schrecken von der Notenbeurteilung genommen wird. Gern werde ich nun erzählen, wie ich zu meiner Art der Noteneinführung gekommen bin:
Es war kein überwältigender Kurs, es gab keine Unterlagen oder sonstige Ereignisse. Ich saß vor ca. 15 Jahren mit meiner zweiten Klasse entspannt im Sesselkreis und wir unterhielten uns. Ich wollte meinen Kindern die Bedeutung der Noten und was diese überhaupt sind, erklären. Als Einstieg erzählte ich meinen SchülerInnen, dass ich mich gerade furchtbar über eine Freundin ärgere, weil sie so angibt und behauptet, alles am besten zu können. Ich fragte die Kinder, ob sie auch so jemanden kennen, der immer angibt und so tut, als ob er/sie alles besser kann. Es ergab sich ein tolles Gespräch mit sehr vielen Wortmeldungen.
Wir sprachen noch einige Zeit über Dinge, die man gut kann und auch über die, die man nicht so gut kann und dass niemand alles kann. Ich erzählte ihnen dabei viele Dinge von mir, bei denen ich ganz schlecht bin oder Sachen, die ich nur wenig kann (Fußball spielen, jonglieren, sehr brav sein…) Am allerwichtigsten dabei war, dass wir gemeinsam viel zu lachen hatten! Überhaupt finde ich eine Unterrichtsstunde, in der nicht ein paar Mal richtig miteinander gelacht wurde, eine nicht gelungene!
Dann leitete ich das Thema langsam in Richtung Beurteilung, und dass das ja auch eine wichtige Sache in der Schule ist.
Nun stellte ich meinen SchülerInnen die Noten vor, aber bewusst nicht die Ziffern, sondern deren Bedeutung, nämlich: Sehr gut, Gut, Befriedigend, Genügend und es gibt auch Nicht genügend.

Türkisch kann ich gar nicht. Sehr gut kann ich Geschichten ausdenken :)

Nun schrieb ich auf fünf verschieden farbigen, kleinen Plakaten die Noten (in Worten) darauf und fing auch gleich an, von mir etwas dazuzuschreiben, z.Bsp.: bei Nicht genügend: Fußball spielen, Autos reparieren usw. Ein türkischer Schüler sagte „Türkisch sprechen“ - Und ich musste ihm Recht geben: Türkisch kann ich gar nicht. Bei Genügend: tanzen, klettern, usw. bis hin zu Sehr gut, wo lustige Sachen wie: Schimpfen oder Blödsinn machen, standen, aber auch Bereiche, die mit meiner Arbeit in der Schule zu tun haben, wie vorlesen, Geschichten ausdenken oder Kopfrechnen.

Ich forderte die Kinder nun auf zu überlegen, was sie alles sehr gut bis nicht genügend konnten. Dies musste aber nicht sofort geschehen, sondern sie sollten sich Zeit lassen und in den nächsten Tagen auf diese Plakate, ohne Namen, etwas darauf schreiben. Es war erstaunlich wie viele Beispiele sich dann, Tage später, auf diesen Blättern befanden - immer voller und voller wurden sie!

Für mich war es so eine schöne Erfahrung, dass ich diese Art und Weise die Noten einzuführen bis heute nicht verändert habe. Ganz wichtig dabei ist mir immer die Benennung der Noten, denn das sagt mehr aus als nur 1,2,3,4,5. Entweder ich kann etwas sehr gut, oder ich bin gut darin, oder befriedigend, dann bin ich noch zufrieden, bei genügend reicht es zwar noch, aber ich strenge mich an und wenn ich etwas noch nicht genügend kann, dann werde ich viel üben und Hilfe bekommen müssen.
Ich merkte mit der Zeit, wenn ich bereits beim ersten Elternabend von dieser Einführung erzählte und es auch Anlass zu lachen gab, diese Eltern kaum Probleme mit den Noten hatten. Freilich ist mir klar, dass Noten eine große Bedeutung im Leben von Kindern und Jugendlichen haben und es ist für mich als Pädagogin eine große Verantwortung, Kinder möglichst gerecht zu beurteilen.

Doch egal ob es um Noten, ein schwieriges Thema oder einen schwierigen Stoff geht … mit Humor und viel gemeinsamen Lachen vertreiben wir oft mehr „Gespenster“ aus der Schule als mit vielen anderen (oft so sehr pädagogischen) Aktionen. Davon bin ich aus tiefstem Herzen überzeugt und ich erlebe dies auch täglich gemeinsam mit „meinen Kindern“!

    


Bildquellen: Thinkstock / Pixabay

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