Ich bin viele! Psychotherapie mit Ich-Anteilen.
Der Autor breitet viele Möglichkeiten für die Arbeit mit Ich-Anteilen aus.
Ein fruchtbares Buch!
Autor: Stadler C
Verlag: E. Reinhardt München
Erschienen: 2017
Zum Inhalt
Der Autor ist psychologischer Psychotherapeut und widmet sich in fünf von 8 Kapiteln der Arbeit mit Ich-Anteilen (die übrigen bringen quasi als Vorwort Zitate zu den inneren Wirklichkeiten; dann die Einführung, die dafür plädiert, die multiplen Wirklichkeiten als Phänomen in den verschiedensten Denktraditionen aufzustöbern; und abrundend eine Zusammenstellung von Literatur und ein Sachregister). Die fünf verschiedenen Zugänge sind: Rollen, Innere Anteile (Inneres Kind, Innerer Helfer, Inneres Team), Ego-States, Persönlichkeitseigenschaften und Typen und schließlich wird jeder dieser Zugänge (mit Ausnahme der Zeit) in seinem Grundverständnis dargestellt.
Rollen sind Handlungsmuster, die sich aus den Erwartungen anderer oder von uns selbst uns gegenüber beruflich oder gesellschaftlich ergeben. Der Autor beschreibt das Soziale, Soziokulturelle, Kulturelle Atom (das Netzwerk der zentralsten Rollen und Beziehungen), er distanziert sich von Hellinger und seinem Anspruch, die objektive Wahrheit abzubilden. Zum Abschluss des ersten Teils geht er auf Sucht und Abhängigkeit, Trauma und Borderline- Persönlichkeitsstörung ein.
Erinnerungsbilder früher Beziehungserfahrungen, Ausschnitte aus der eigenen Lebensgeschichte – das ist gemeint, wenn man vom Inneren Kind spricht. Man kann damit beratend, therapeutisch arbeiten, indem man z.B. verschiedene Erinnerungsbilder (z.B. aus verschiedenen Lebensphasen) zueinander in Beziehung setzt. Der durch eine spezifische Anleitung imaginierte Innere Helfer kann eingesetzt werden, um schwierige Lebenssituationen zu überarbeiten, das Innere Team steht ebenfalls bei Problemsituationen bei, und weist verschiedene Rollen auf: Beobachter, Kritiker, Bremser usw..
Die Ego-States sind Cluster verschiedener Bewusstseinszustände, es sind Systeme, deren Elemente durch ein gemeinsames Prinzip zusammengehalten werden. Durch gezielte Fragen kann man mit den Ego-States in Verbindung treten.
Schließlich zieht der Autor noch die Persönlichkeitseigenschaften und Typen für die Arbeit mit Ich-Anteilen heran: Die 16 Persönlichkeitsfaktoren von Cattell, die Big Five, die Grundformen der Angst , das OPD, usw.
Den Abschluss bilden Überlegungen zur Zeitdimension: Blick in die Vergangenheit, in die Zukunft, Momentaufnahmen etc.
Das Buch weist bei einer durchaus differenzierten Themenanalyse eine optimistische Leichtfüßigkeit auf, es fehlen die Angaben zu „Nebenwirkungen“, die zur Vorsicht und da und dort auch zu einem „cave!“ führen können. Auch die Unterscheidung von einem Einsatz im beraterischen und therapeutischen Kontext fehlt, ebenso die Empfehlung, was für einen Therapieneuling und für einen erfahrenen Therapeuten möglich und „bekömmlich“ ist. Diese Ergänzungen wären für eine Folgeauflage vorteilhaft. Man muss aber lobend hervor heben, dass die Anleitungen und Fallbeispiele konkret, nachvollziehbar und praktikabel sind.
Dem Autor gelingt eine anregende Darstellung in einem noch eher wenig bearbeiteten Feld. Mit Kreativität und klarer Verständlichkeit, mit theoriegeleiteten Übungen und Beispielen gewinnt das Buch an Griffigkeit! Insgesamt eine fruchtbare Auseinandersetzung in einem diffizilen Anwendungsbereich!