Bewusstsein. Eine sehr kurze Einführung.
Wer hat sich nicht schon Gedanken über das Unbewusste gemacht? Susan Blackmore ist Psychologin und Sachbuchautorin. Sie schafft es, in einer sehr verständnisorientierten Sprache auf 230 Seiten die unterschiedlichsten Themen im Umkreis des Bewusstseins zu behandeln.
Buchtitel: Bewusstsein. Eine sehr kurze Einführung.
AutorInnen: Susan Blackmore
Verlag: Bern: Hans Huber
Erschienen: 2014
Zum Inhalt
Das menschliche Gehirn, Raum und Zeit, das Ich, der bewusste Wille, veränderte Bewusstseinszustände, die Evolution des Bewusstseins und in der Mitte des Buches die "große Illusion" der visuellen Wahrnehmung, und eine Theorie, der zufolge Sehen und Handeln eins sind (psychosomatisch bewanderte Leser werden an den Gestaltkreis nach Uexküll denken). Die englische Originalausgabe erschien bereits 2005.
Das Buch ist in einer buchstäblich handlichen Form gestaltet, es ist so groß oder -besser gesagt - so klein, dass es auf einer Handfläche Platz findet. Das bietet einen gewissen Mitnahme-Komfort. Allerdings ist die kleine Schrift, insbesondere bei den Angaben zur weiterführenden Literatur und beim Register - zumindest für ältere Augen - ein ziemlicher Stress. Für den Lesekomfort sorgt die Entscheidung, Zitierformalitäten zugunsten eines fließenden Textes zu unterlassen.
Das Buch weist verschiedene Illustrationen auf, z.B. eher in einem alten Stil gehalten die Abbildung 2, viele Cartoons, einige Fotos, sowie auch schematische Darstellungen (wie z.B. Abbildung 11 - diese Abbildung weist eine besonders kleine Schrift auf). Quellenverweise zu den Illustrationen hat der Rezensent trotz intensiver Suche nicht gefunden.
Das Buch ist unterhaltsam, bringt aber durchaus wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sprache: Z.B. die Illusion des freien Willens (Abbildung 20 bringt eine gute Veranschaulichung dazu), manche Menschen leben bewusst "als ob" es einen freien Willen gebe, während andere überhaupt mit der Zeit auf das Gefühl des Ich vergessen (Seite 162). Das "Ich" wird angezweifelt, es dürfte diesem Wort nichts Reales, Kontinuierliches entsprechen (Seite 116), flüchtige Ich-Erfahrungen würden mit Erinnerungen, sozusagen im Nachhinein zu kohärenten Mustern verschweißt.
Interessante Überlegungen finden sich in Fülle in diesem "kleinen" Buch, z.B. auch das Gedankenexperiment mit den Zombies, worunter Wissenschaftler nicht Untote verstehen, sondern unbewusste Doppelgänger (Seite 21ff). Es geht um die Frage, inwieweit Bewusstsein notwendig ist für menschliches Handeln. Eine andere Vorstellung vergleicht den scheinbaren Bewusstseinsstrom mit einer Art "Kopfkino" (Seite 27f). Auch die sogenannten außerkörperlichen Erfahrungen bleiben nicht unerwähnt. Susan Blackmore verbreitet eine etwas unheimliche Atmosphäre, wenn sie feststellt, dass das Ich nicht konstant ist, dass es keinen ununterbrochenen Bewusstseinsstrom gibt; im Gegenteil Blackmore vergleicht die Situation mit einem Kühlschrank, wann immer man die Türe aufmacht, scheint das Licht (ist man bewusst), aber dazwischen ist viel Dunkel (wir wissen nicht, was mit dem Rest der Zeit geschieht (212 f). Allerdings könnte man der Autorin antworten, dass die Kühlfunktion kontinuierlich bleibt, ob bei Öffnen oder bei Schließen der Tür. Oder man könnte in dem Licht beim Öffnen des Kühlschranks die (besondere) Wachheit des Bewusstseins erblicken, d.h. es gibt kontinuierlich Bewusstsein, aber in verschiedenen Graden.
Die Autorin schließt mit einer besinnlichen Überlegung (Hoffnung?), dass wir uns von den Illusionen befreien sollten, auf dass wir in e i n e r Welt leben, ohne Dualität, ohne einen Fragesteller..Das entspricht ihrer positiven Bewertung des Buddhismus. Dieser hat ja als einzige Weltreligion die "Existenz" des Ich angezweifelt ( Seite 114f).
Ist man nach der Lektüre bewusster? Dies würde einen Gegenstand erfordern, das Ich, die Identität, eine Lebensgeschichte. Aber in einer nichtdualen Welt gibt es das "Gegen" nicht und in der Episodenhaftigkeit gibt es keinen "Stand". Was ist also der Gewinn der Lektüre? Man wird vorsichtiger, der Boden, auf den man tritt, ist brüchiger geworden, und der, der auf ihn tritt, ist ein Phantom.
Positiv formuliert: man wird aufgeschlossener für Meditation (Seite 183 bis 189), als Weg, die Welt ganz anders zu erfahren.