Einführung in die Trauerbegleitung
Die Einführung in die Trauerbegleitung enthält ein Kursprogramm, mit dem beruflich mit Trauer befasste Menschen Kompetenzen und Wissen über dieses Thema erwerben. Das Buch bietet viele Anregungen, sich auch auf der konkreten Handlungsebene mit Sterben, Tod und Trauer auseinander zu setzen.
Buchtitel: Einführung in die Trauerbegleitung
AutorInnen: Langenmayr A
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2013
Zum Inhalt
Der Autor war Professor für Motivationspsychologie an der Universität Duisburg-Essen und leitet ein eigenes Institut zur Ausbildung von Trauerbegleitern. Das Buch gliedert sich in drei große Anliegen: Einerseits wird die Trauer von verschiedenen Seiten beleuchtet: Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Trauerbegleitung,-beratung, -therapie; der Trauerprozess, spezielle Trauersituationen wie z.B. Verlusterlebnisse durch Suizid oder die verpönte Trauer , Trauerfolgen wie psychische Symptome, körperliche Beeinträchtigungen bzw. immunologische Phänomene wie das sogenannte Nachsterben von engen Bezugspersonen des verstorbenen Menschen.
Andererseits werden unter der Überschrift Traumatherapie und –beratung rund 30 Psychotherapieansätze beschrieben und dann deren spezielle Anwendungen auf die Trauertherapie veranschaulicht.
Das dritte Anlíegen des Buches ist der Aufweis zufriedenstellender empirischer Evaluationen und die Skizzierung der Fortbildung in Trauerberatung und Trauertherapie.
Diese drei Anliegen werden auch in das Ausbildungskonzept integriert: 12 zweitägige Blöcke werden im Laufe eines Jahres angeboten: die ersten zwei Blöcke dienen dem ersten Anliegen, die Blöcke 3 bis 7 sind dem zweiten Anliegen (Darstellung von Therapiemethoden)und die Blöcke 8 bis 10 dem Umgang mit speziellen Trauersituationen gewidmet. Block 11 umfasst eine Selbsterfahrung in der Gruppe und Block 12 Supervision.
Das Fortbildungskonzept ist logisch durchstrukturiert und ergiebig. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Teilnehmer an diesem Kurs wichtige Kompetenzen für die Arbeit mit trauernden Menschen erworben haben. Wie aber diese Arbeit intensitätsmäßig angelegt ist, wird nicht konkretisiert. Der Autor vertritt den Standpunkt, dass eine Differenzierung in Trauerbegleitung, Trauerberatung und Trauertherapie nicht notwendig sei, weil das Zentrum immer die menschliche Zuwendung sei. Diese sei bei Beratung, Begleitung, Therapie nicht wesentlich unterschieden. Hier vertritt der Rezensent eine ganz andere Position: Eine Differenziertheit sollte beibehalten bleiben, wenn sie argumentierbar ist, wie z.B. durch den unterschiedlichen Ausprägungsgrad der Belastung, die unterschiedliche Schwere der Pathologie, die unterschiedliche Angewiesenheit auf externe Hilfe und nicht zuletzt auch durch die fachlichen Anforderungen an den professionellen Helfer. Diese begriffliche Indifferenz des Buches bekundet sich auch in der Eklektik, für die der Autor aufgeschlossen ist. So sollen sich die Teilnehmer mit den wesentlichen Verfahren vertraut machen „nicht damit sie alles gleichermaßen praktizieren können, sondern damit sie sich nach genügend spielerischem Umgang für das oder die Verfahren entscheiden, die zur eigenen Persönlichkeit und Lebensgeschichte am besten passen“ (Seite 245). Wenn man bedenkt, dass eine Psychotherapieausbildung im Schnitt zwischen 5 und 10 Jahren umfasst, kann ein derart breiter Methodenfächer nur methodische Charakteristiken andeuten und muss damit das Tor zur Psychotherapieausbildung öffnen – womit der Kurs nicht abschließend qualifiziert. Eine Lösung bietet sich an, wenn die Zugangsbedingungen für den Kurs die Ausbildung in zumindest einer Psychotherapiemethode fordern oder, wenn man eine „Light-Variante“ der Psychotherapie anbietet z.B. in Form einer verhaltenstherapeutisch orientierten Beratung oder einer gestaltorientierten Beratung etc., was aber dementsprechend bescheiden auch verbalisiert werden muss.
Bei einem derart ehrgeizigen Vorhaben (das Buch peilt sehr viele, durchaus auch schwer erreichbare Ziele an) sollte die Überlegung auch in Richtung Komprimierung, Reduktion auf das Wesentliche erfolgen. Ein gutes Beispiel für eine durchaus verzichtbare Information liefert eine auf Seite 44 gebrachte, nicht näher erläuterte mathematische Verlustformel, die durch Verwendung einer logarithmischen Größe im Nenner eines Bruches Respekt erwirkt, aber auch Ratlosigkeit..
Wichtig, wenn auch bei einer Breite von 30 Therapieansätzen nicht einfach, ist die Aktualität der Ausführungen, Beispiel: Auf Seite 184 wird als Grenze familientherapeutischer bzw. systemischer Therapie ausgesagt, „wenn einzelne Familienmitglieder zur Mitarbeit nicht bereit sind“. Demgegenüber gibt es bereits seit geraumer Zeit Familientherapien mit einzelnen Personen u. a. m.
Die Durchführung eines Teils der Selbsterfahrung mittels des Katathymen Bilderlebens wird beschrieben als „Die Teilnehmer liegen auf Matten und geraten durch eine Entspannungsübung in eine Situation, in der sie problemlos auftauchende Fantasien zulassen können“ (Seite 242). Hier fehlt der Hinweis, dass die Leitung eines derart „problemlosen“ Verfahrens nur in die Hände eines in dieser Therapie ausgebildeten und erfahrenen Therapeuten gegeben werden darf. Man kann nicht immer mit „problemlosen“ Imaginationen rechnen. Daher bedarf es des vertieften Wissens um die psychischen Prozesse, die man auslöst. Das gilt auch für die anderen Therapieverfahren. Auf Seite 244 steht nämlich: „Die Besprechung der einzelnen Therapieansätze beinhaltet auch, dass sich immer zwei Teilnehmer zusammen finden, sich eine gestellte oder tatsächliche Trauersituation überlegen und dann vor der Gruppe unter Berücksichtigung der wesentlichen Elemente der jeweiligen Therapie eine Sitzung durchführen, wobei der eine Therapeut, der andere Klient ist.“ Ob therapeutisches Verhalten so schnell und so wesentlich demonstriert werden kann, kann bezweifelt werden und gilt wohl nur auf einer Technikebene.
Fazit: Das Buch bietet sehr viele Anregungen zur Arbeit mit trauernden Menschen. Z.B. die Überlegungen zum therapeutischen Setting (Seite242f), oder die Übungen zur Trauerberatung/-begleitung (Seite 245 bis 255). Die durchaus berechtigten Unterschiede zwischen Beratung, Begleitung und Therapie sollten sich aber im Kurs deutlicher zeigen bzw. einen Einfluss auf die Zugangsbedingungen haben. Auch die Unterscheidung zwischen Ausbildung und Weiterbildung ist wichtig: Was wird dem Absolventen des Kurses an erworbenen Kompetenzen zugestanden, Die vielen ehrgeizigen Ziele des Buches beeindrucken, deren Realisierung in so kurzer Zeit lässt Skepsis aufkommen, aber auch den Wunsch entstehen, dem Prinzip des „Weniger ist mehr“ zugunsten exemplarischer Ausführungen zu entsprechen. So hat der Leser, der den zweiten großen Abschnitt aufschlägt, möglicherweise den Eindruck, ein Buch über Psychotherapieverfahren in der Hand zu halten, wobei die Trauerbearbeitung nur ein knapp gehaltenes Vergleichsthema darstellt. Es würde genügen, beispielhaft eine tiefenpsychologische, eine humanistische-existentielle, eine verhaltenstherapeutische, eine systemische Psychotherapie zu beschreiben und ihre Andockstellen für die Trauerbearbeitung breiter zu gestalten.
Die Einführung in die Trauerbegleitung enthält ein Kursprogramm, mit dem beruflich mit Trauer befasste Menschen Kompetenzen und Wissen über dieses Thema erwerben. Das Buch bietet viele Anregungen, sich auch auf der konkreten Handlungsebene mit Sterben, Tod und Trauer auseinander zu setzen. Abgesehen von kritischen Anmerkungen zur Kursgestaltung betreffend Gewichtung der Inhalte, Differenzierung in Beratung, Begleitung und Therapie und notwendige fachliche Vorbildung, die durch Zugangsbedingungen regulierbar wäre, vermittelt der Autor seine umfangreiche Erfahrung und dies in einer sehr menschlichen, sympathischen Art.