Die Hirnforschung auf Buddhas Spuren. Wie Meditation das Gehirn und das Leben verändert.
Die uralte Weisheit des Buddha im Vergleich mit der neurobiologischen Wissenschaft
Kingsland J
2017
Weinheim Basel: Beltz
Zum Inhalt
Das Buch des Wissenschaftsjournalisten Kingsland ist inhaltlich ergiebig und ansprechend gestaltet. In 12 Kapiteln (recht anschaulich betitelt mit z.B. „Der Mensch, der verschwand“, „Die goldenen Pantoffeln“, „Die Feueranbeter“, „Der trunkene Elefant“) entfaltet der Autor wesentliche Bestimmungsstücke des Buddhismus, z.B. die Achtsamkei mit dem Ziel, den Leser aufmerksam zu machen auf die Meditation, wie sie im Buddhismus gelehrt und gelebt wird, und den gesundheitlichen und persönlichen Nutzen darzustellen, den man aus dieser geistigen Übung ziehen kann. Sechs Beispiele für Meditationen werden eingehend beschrieben.
Der Autor flicht einen Zopf aus drei Haarsträhnen, die man als die „Geschichte von Siddharta“, die Lehre des Buddhismus und die Ergebnisse der modernen Hirnforschung bezeichnen könnte. Diese gegenseitige Verbindung stützt die Aussagen und wirkt sehr überzeugend.
Auf Seite 20 wird auf die Legendenhaftigkeit der Erzählungen zum Leben Siddhartas hingewiesen. Das ist wichtig, denn Legenden sind immer wieder in das Buch eingestreut und so lebendig erzählt, dass man vergessen könnte, dass es sich zum Teil um Konstruktionen handelt und nicht um ausschließlicheTatsachenberichte.
Das Schlüsselerlebnis Siddhartas – der für einen im Luxus lebenden Prinzen schockierende Anblick der abstoßenden Hässlichkeit des Menschen in seinem alltäglichen Lebensvollzug – hätte nicht zwingend zu der Konklusion führen müssen, dass alles nur auf Täuschung beruht und man den Ent- Täuschungen durch eine entsprechende Distanzierung entkommen müsste. Genau so gut hätte auch eine Bewunderung stattfinden können, wie sehr dieser brüchige, unansehnliche, schwache Mensch zu strahlenden Kulturleistungen fähig ist. Wie sehr der Mensch seine Begrenztheit transzendieren kann. Diese Kontrastierung kann das Spezifische des buddhistischen Ansatzes deutlicher machen.
Manches ist etwas unscharf, z.B. ist die Bezeichnung „kognitive Gesprächstherapie“ (Seite 139) dem Rezensenten nicht vertraut.
Wertvoll wäre gewesen, die Achtsamkeitsstrategie, die quälenden Gedanken kommen und gehen zu lassen, mit der verhaltenstherapeutischen Technik der systematischen Desensibilisierung zu vergleichen (Seite 143
Manche Konzipierung wären zu hinterfragen, z.B. auf Seite 193 die Gleichsetzung von „Nicht-Bewertung“ mit „Akzeptanz“. Die Akzeptanz und auch die Toleranz binden sich nicht zwingend an die Indifferenz; vorstellbar wäre, Unterschiede wahrzunehmen, vielleicht sogar zu bewerten, aber ohne diese andere Meinung deswegen vernichten, auslöschen zu müssen. Der Geist bleibt seiner Unterscheidungsfähigkeit treu, handelt aber neutral (wenn dies ethisch vertretbar ist).
Schmerzlich denkt man an die Utopien von Platons Philosophen-Regime oder Skinners Futurum Exaktum, Huxleys Klassenbildung durch Alkohol u. a. m., wenn der Autor von einer durch Meditation Anteil nehmenderen Gesellschaft spricht (Seite 203f), die es zu fördern gelte.
Ansprechend modern klingt es, wenn der Autor darüber spricht, dass der Buddhismus statt von Sünde zu reden, das wenig Hilfreiche eines bestimmten Verhaltens hervorhebt.(Seite276). Modern, wenn auch schon uralte Praktik, ist die Lehre vom Ansammeln negativer Folgen von negativem Verhalten (die Karma-Lehre).
Manches wäre zu vertiefen, z.B. die Frage, ob die Neurobiologie als Referenzbereich eine Hinwendung zum Materialismus/Naturalismus bedeutet. ).
Bezüglich der Bezeichnung „Buddha“ ist der Autor oder Übersetzer unschlüssig, er verwendet die Form „der Buddha“ (der Erweckte, Erleuchtete), aber auch die Form „Buddha“ (wie einen Eigennamen) - letzteres auch im Buchtitel. Der Buchtitel enthält noch eine andere Frage: „Auf den Spuren Buddhas“ hört sich so ganz anders an als das bekannte Zitat: „Triffst du einen Buddha unterwegs, musst du ihn töten!“ (Man soll selbst Spuren hinterlassen, statt anderen zu folgen!)
Das Buch ist spannend und anregend geschrieben und fordert zur eigenen Stellungnahme heraus, wie der Rezensent an einigen Texten demonstriert hat.