Curriculum Spiritualität für ehrenamtliche Hospizbegleitung
Das Buch schließt eine Lücke, es fügt zum Engagement ehrenamtlicher Hospizbegleiter ein Stück Professionalität hinzu!
Gratz M u Roser T
Verlag: Göttingen: Vandenhoeck & Rupecht
Erschienen 2016
Zum Inhalt
Vorweg: Es ist als hervorragende Idee zu bezeichnen, dass ein Buch wichtige Bausteine für die ehrenamtliche Hilfe im Bereich "Hospizbegleitung" zusammenträgt und damit eine notwendige Präventionsarbeit leistet. Ohne diese wären die Begleiter im Umgang mit den Fragen und Bedürfnissen Schwerkranker, Sterbender und deren Angehöriger bald überfordert, sie könnten zu agieren beginnen, mitunter den eigenen Zugang zur Spiritualität auf die Patienten projizieren.
Das Buch hat einen streng systematischen Aufbau: Jedes der Themenkapitel besteht aus Material für den Referenten (Auftrag, Unterrichtsziele, Unterrichtsablauf, Literaturhinweise und Anleitungen, Hintergrundwissen) und Material für die Teilnehmer. Die 11 Themen gliedern sich auf in 7 über spirituelles Basiswissen vom Begriff bis zu den Bedürfnissen, von existentiellen Krisen bis zum Lebenssinn, von verschiedenen Religionen und Kulturen bis zur Leidbewältigung und zur Spiritual Care; und 4 Themen über die Aufgaben der Hospizbegleitung von der Präsenz im Gespräch bis zum Dasein und Aushalten, von der Einbindung von Seelsorge bis zu Ritualen. Die Kursplanung umfasst Übungen, Reflexionen, Wissensvermittlung, die Ziele werden anschaulich gegliedert in Wissen, Fertigkeiten und Haltungen.
Weniger glücklich ist der Rezensent mit den Definitionen der Spiritualität: "Unter Spiritualität kann die innere Einstellung, der innere Geist wie auch das persönliche Suchen nach Sinngebung eines Menschen verstanden werden, mit dem er Erfahrungen des Lebens und insbesondere auch existenziellen Bedrohungen zu begegnen versucht." ( Seite 27. Definition der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin). Was ist der "innere Geist"? Wieso nur Sinngebung - wieso nicht auch Sinnfindung? "..eines Menschen" - wer sonst? Abgesehen davon wird Spiritualität als Resilienzfaktor fokussiert, was nicht falsch ist, aber einseitig. "Spiritualität ist die dynamische Dimension menschlichen Lebens, die sich darauf bezieht, wie Personen (individuell und in Gemeinschaft) Sinn, Bedeutung und Transzendenz erfahren, ausdrücken und/oder suchen und wie sie in Verbindung stehen mit dem Moment, dem eigenen Selbst, mit Anderen/m , mit der Natur, mit dem Signifikanten und/oder dem Heiligen." ( Seite 28. Definition der European Ass.for Palliativ Care). "Bedeutung ..erfahren" - ist Spiritualität die semantische Dimension schlechthin? Spiritualität wird als jegliche Erfahrung, Ausdrucksform und Suche nach Sinn, Bedeutung und Transzendenz formuliert und als jegliche Verbindung mit sich und anderem, auch mit dem Signifikanten (?). In dieser allumfassenden Beschreibung entzieht sich der Begriff der Spiritualität. Auf Seite 29 steht: "Selbsttranszendenz: Mit seinem inneren Selbst verbunden sein; Glaube an sich selbst, innerer Friede." Abgesehen von der Frage, was das "innere Selbst" ist, ist Selbsttranszendenz das Überschreiten des Selbst, die Ausrichtung auf etwas, was das Selbst übersteigt. Das kann der Einsatz für die Gemeinschaft sein, oder eine Orientierung an Höherem, diese kann sehr dynamisch sein (siehe obige Definition) und gar nicht friedlich allein.
Sehr klar und einladend ist die Darstellung des "palliativen Blicks" auf Seite 37 und die Aufgliederung in Ressourcen, Bedürfnisse und Hoffnungen. Sehr anregend in ihrer enthaltsamen Art sind die Gottesbilder auf Seite 90-93, wie etwa der liebende, verzeihende Gott, der strafende, buchhalterische Gott.
Die Definition von Coping als Krankheitsverarbeitung (Seite 98) muss als spezifische Auslegung gekennzeichnet werden, Coping ist allgemein die Bewältigung von Herausforderungen.
Auf Seite 135 findet sich eine interessante Darstellung, die Beratung, Ritual und Gespräch in einem Zirkelprozess sieht und bei der Beratung "performativ" anführt und bei Gespräch "hermeneutisch" - hier wäre eine nähere Erläuterung wertvoll.
Das Buch ist mit vielen Selbstreflexionsfragen, Materialien, Downloads und ebook-Beiträgen ausgestattet, die Autoren finden einen Weg, die unterschiedliche Vorbildung der Kursteilnehmer zu berücksichtigen. Es wird eine klare, verständliche, wesentliche Informationsarbeit geleistet! Es darf als sicher angenommen werden, dass das vorliegende Werk sein Ziel erreicht: Das ehrenamtliche Engagement der Hospizbegleiter durch neues Wissen, durch neue Fähigkeiten und durch neue Haltungen qualitativ zu steigern!