Meditation und Gehirn. Alte Weisheit und moderne Wissenschaft.
Der Autor, studierter Geologe und Paläontologe, meditiert seit über 30 Jahren. In seinem Buch will er die Erkenntnisse der Neurobiologie nützen. "Meditation spielt im Gehirn. Meditierende müssen es genauer kennen", so sein Motto...
Buchtitel: Meditation und Gehirn. Alte Weisheit und moderne Wissenschaft.
Reihe: Wissen und Leben
AutorInnen: Hilbrecht H
Verlag: Schattauer
Erschienen: 2011
Zum Inhalt
Der Autor, studierter Geologe und Paläontologe, meditiert seit über 30 Jahren. In seinem Buch will er die Erkenntnisse der Neurobiologie nützen. "Meditation spielt im Gehirn. Meditierende müssen es genauer kennen", so sein Motto (S VI). Die Neurobiologie ermöglicht es, die im Menschen angesiedelten und nachweisbaren Fähigkeiten zur Erklärung von Phänomenen wie das Gedankenlesen, die Seelenwanderung, die Nahtoderlebnisse u. v. a. m. heran zu ziehen und wird ihrerseits auch modifiziert, denn "Meditation ist ein Weg zur bewussten Umgestaltung des Gehirns" (ebd.).
Hilbrecht erklärt im einleitenden Abschnitt, woher die Meditation kommt und wie man sich wissenschaftlich seriös mit ihr befasst. Er verwendet das Wort "Meditation" nicht im Sinne des im Westen gebräuchlichen intensiven Nachdenkens über ein Thema, sondern gleichbedeutend mit "Kontemplation" , der besinnlichen Schau. " Die moderne Forschung zeigt, dass das Gehirn keine Festplatte wie beim Computer ist, sondern sehr viel flexibler. Die ´biologische Festplatte` kann sich ein Leben lang vergrößern und verkleinern, ihre Vernetzung ändern, also auch die Struktur der Datenspeicherung anpassen. Neurobiologen sprechen deshalb vom ´plastischen Gehirn`(S 23). Und - Trost für die Alten - Meditation kann bis ins hohe Alter hinein geübt werden und ihre positiven Wirkungen entfalten.
Hilbrecht beschreibt die 10 Stufen der Versenkung als ein sehr altes Erfahrungswissen. Manches würde dem Leser bekömmlicher sein - so attraktiv die Schilderung auch ist, wenn auch Hinterfragen einen Platz hätte. So beschreibt der Autor die vierte Stufe der Versenkung unter anderem als die Erkenntnis der subjektiven Erzeugung aller Gefühle - man hat es nicht mit anderen zu tun, sondern ausschließlich mit sich selbst. Man könnte salopp den Vorgang auch als die Geburt der konstruktivistischen Einstellung bezeichnen - und genau wie bei vielen Aussagen des radikalen Konstruktivismus fehlt die Antwort auf die Frage der Realität "der Welt" und ihrer Auswirkung, mag sie auch noch so illusionär sein. (Der Rezensent hat einen Prüfstein für die radikale konstruktivistische Haltung formuliert: Bleiben Sie - als radikaler Konstruktivist - auf einem Bahngleis stehen, wenn sich ein Zug donnernd und pfeifend nähert?) Die weiteren Stufen werden ebenso mit einer Mischung aus Faszination und Andacht beschrieben: das Erfassen von Zusammenhängen, die Erschließung des Unbewussten, die Überwindung des Selbst, die Aufhebung von Wahrnehmung und Gefühl und schließlich die Erleuchtung und der Eintritt in das Nirvana oder in den Wiedergeburtszyklus als Lehrer der Erleuchtung.
Der kritische Leser wird aber vollends angesprochen im Herzstück des Buches (S 56 bis 115). Hier werden Erkenntnisse der Neurobiologie in anschaulicher Weise mit vielen Vergleichen näher gebracht und in Beziehung zur östlichen Weisheit gesetzt. Der Leser erfährt, was für ein unvorstellbares Potential das menschliche Gehirn besitzt und wie dadurch scheinbar übersinnliche Leistungen ganz "natürlich" erklärt werden können. Unter der Überschrift "Alte Weisheit - moderne Wissenschaft" erfolgt zunächst ein Plädoyer für Buddhismus und Daoismus, die in ihrer Offenheit z.B. dem "einschränkenden" Christentum gegenüber gestellt werden. Nach diesem Bekenntnis des Autors folgen aber wieder Fakten: Die Verbesserung der Leistungen des Gehirns durch Meditation, veranschaulicht durch Experimente zur Achtsamkeit. Die Erläuterung zu Phänomenen im Zusammenhang mit Chi und Kundalini ist spannend, auch die Erklärung der Nahtoderlebnisse. Sehr informativ sind die abschließenden Kapitel: Gefahren für Meditierende (die im Schüler, aber auch im Lehrer liegen können), Meditation und Gesundheit (z.B. der über die Wirkung von Entspannungstechniken hinaus reichende Stressabbau), Praxis der Meditation und optimale Versorgung des Gehirns durch intuitive Ernährung (auf den Körper und seinen Appetit auf bestimmte Speisen hören).
Das Buch liefert eine Fülle von Erkenntnissen und überraschenden Einblicken und lässt die neurobiologische Forschung auch jenen Lesern wertvoll werden, die zunächst in der Gehirnforschung eine Wendung zum Materialismus befürchteten. Dass der Autor seine Informationen mit buddhistischem Gedankengut verquickt, entspricht seiner schon im Untertitel geäußerten Absicht. Gerade weil seine Ausführungen zur Meditation so ansprechend sind, wäre ein zusätzliches Kapitel (oder neues Buch) über Meditation für "säkulare" Leser lohnend, in dem der Autor sein reiches Wissen auch jenen nahebringen kann, die sich nicht mit östlichem Denken auseinandersetzen wollen. Wobei die Frage offen bleibt: Ist die im Buch so frequente Anbindung an buddhistisches Gedankengut substantiell für die Praxis der Meditation, wie sie das Buch zeigt, oder ist es nur beispielhafte Veranschaulichung? Der Autor meint selbst:" Diese Forschung hat gerade erst begonnen, Meditierende sind daran beteiligt. Deshalb sind noch viele Überraschungen zu erwarten. Vielleicht ergibt sich daraus eine neue Sicht, eine noch tiefer begründete Praxis der Meditation" ( S 209).
Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch, das sicher eine Auseinandersetzung mit dem Thema anregen wird!